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Mrz 05

Die Aufgetauten (3)

Die Anstellung

Am nächsten Morgen verzichtete ich darauf, in meinem Lieblingscafé die Zeitung zu lesen. Ich hatte unruhig geschlafen, konnte mich aber nicht mehr an meine Träume erinnern. Ich kochte mir Tee, dem ich wie immer mit einer Teelöffelspitze Honig einen Anflug von Süße gab. Danach fuhr ich an den Stadtrand.

Ich parkte mein Auto auf dem Parkplatz vor dem Firmentor, stieg aus und ging zum Pförtner. Neben dem Eingang war ein unscheinbares Firmenschild angebracht: „Nitrobiotec“ und darunter „Genetic Engineering“. Ich fragte nach einer Adresse. Der einsilbige Pförtner konnte mir keine Antwort geben, und ich ging wieder zurück zum Auto.

Im Internet konnte ich nichts Näheres über die Firma „Nitrobiotec“ erfahren. Sie hatte keine Homepage, war aber im Firmenregister eingetragen.

Am nächsten Tag parkte ich meinen Wagen abseits des Firmentors so, dass ich die Zufahrt gut einsehen konnte. Ich konnte nichts Auffälliges feststellen. Die wenigen Mitarbeiter kamen mit dem Auto und waren dem Pförtner offensichtlich bekannt. Einmal kam eine junge Frau mit einem Taxi. Sie trug einen kurzen, karierten Mantel. Die langen, dunklen Haare waren in der Stirn, soweit ich das erkennen konnte, zu einem Pony geschnitten. Sie blieb etwa zwei Stunden in dem Gebäude und wurde wieder von einem Taxi abgeholt.

Auch am nächsten und übernächsten Tag konnte ich nichts Auffälliges feststellen.

Ich habe nie darüber nachgedacht, wie lange ich den Eingang der Firma beobachtet hätte, wenn nicht am vierten Tag ein Transporter mit der Aufschrift „Frigos Kältetechnik“ vor das Tor gefahren wäre. Der Fahrer stieg aus und ging ins Pförtnerhaus. Nach einer Weile kam er zum Wagen zurück, die Schranke öffnete sich und der Transporter fuhr auf das Firmengelände.

Nach etwa einer Stunde verließ der Wagen die Firma wieder. Ich folgte ihm, verlor ihn aber im dichten Verkehr der Innenstadt aus den Augen.

Zum Hause brachte ich über die Firma „Frigos“ nicht mehr in Erfahrung, als dass es ein mittelständischer Betrieb war, der sich auf Kältetechnik im weitesten Sinne spezialisiert hatte.

Ich rief bei der Firma an und sagte, dass ich mich auf die ausgeschriebene Stelle als Mechaniker bewerben möchte. Die Sekretärin wusste nichts, stellte mich aber zum Abteilungsleiter durch. Der wusste auch nichts von einer Stellenausschreibung, sagte aber, dass die Firma durchaus gute Leute einstellen würde und dass ich am nächsten Vormittag mit meinen Unterlagen vorbeikommen könne.

Mithilfe meiner Photoshop-Kenntnisse und der Hilfe eines Kopierers, erstellte ich den Gesellenbrief eines Mechanikers, einige Beurteilungen und ein Empfehlungsschreiben einer ausländischen Firma.

Am nächsten Tag saß ich der Empfangssekretärin der Firma „Frigos“ gegenüber und wartete auf den Abteilungsleiter. Der kam in Begleitung eines Meisters. Der Abteilungsleiter sichtete eher flüchtig meine Unterlagen und den kurzen Lebenslauf, während mich der Meister nach dem Satz des Pythagoras und einigen Formeln zur Dreiecksberechnung fragte. Er nickte anerkennend mit dem Kopf, als ich sie ihm nannte. Als er mich aufforderte, die Formel für den Kegelmantel herzuleiten, gab ich mir den Anschein, eine schwierige Aufgabe lösen zu müssen, die ich dann aber doch bewältigte. Er gab mir einige überflüssige Tipps, wie man das alles besser machen könne, lobte mich aber und sagte zum Abteilungsleiter, dass man da noch die alte Schule erkennen könne und dass mit den Jungen ja heute nicht mehr viel los wäre. Das war wieder das Stichwort für seinen Vorgesetzten. Er fragte mich, indem er nebenbei auf mein Alter anspielte, was ich denn für Gehaltsvorstellungen hätte. Ich antwortete ihm, dass dieser Aspekt für mich nicht unbedingt im Vordergrund stehen würde und dass mir eine Anstellung in Deutschland nach meiner langen Monteurstätigkeit im Ausland wichtiger wäre. Diese Antwort wurde mit Befriedigung aufgenommen, und mir wurde der Stundenlohn eines Leiharbeiters, knapp über dem von den Gewerkschaften geforderten Mindestlohn, genannt.

Am nächsten Tag unterschrieb ich den befristeten Arbeitsvertrag und erhielt eine blaue Latzhose sowie eine Jacke mit dem Firmenlogo.

Ich meldete mich anschließend im Lager.

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